«Museum Zofingen – ein Begegnungsort in allen Lebensphasen»

    Mit Katharina Müller, der neuen Leiterin, hat im Museum Zofingen eine neue Ära begonnen. Sie hat das Museum Zofingen für die breite Bevölkerung geöffnet. Zudem setzt sie mit einem Jahresprogramm für Jung und Alt sowie dem Konzept der Museumsfreiwilligen, Familien-Nachmittage und vielem mehr neue Massstäbe – mit Erfolg. Die engagierte Museumleiterin gibt hier Einblick in ihr Konzept und ihre Pläne.

    (Bild: zvg) Katharina Müller ist offen für Experimente: Das Museum soll belebt werden.

    Am 1. Juli 2022 haben Sie die Leitung des Museums Zofingen übernommen. Haben Sie sich gut eingelebt, welche Bilanz können Sie ziehen?
    Katharina Müller: Das 1901 eröffnete Museum Zofingen hat ein grosses Potential. Das Museumsgebäude und die Sammlungen sind relevante kulturelle Ressourcen – diese gilt es in Wert zu setzen. Das Museumsgebäude im Florentiner Palast-Stil ist eine bauhistorische Perle. Das Museum verfügt über vielfältige Sammlungen, wobei die Ringier-Druckmaschinen und die Filmsammlung von nationaler Bedeutung sind. Das Museum kann eine wichtige Rolle im Tourismus und in der Kultur in Zofingen spielen und zu einem dritten Ort, einem Begegnungsort für die Bevölkerung, werden. Die Öffnung des Museums ist auf gutem Weg und die seit Januar 2023 frisch lancierten Angebote ziehen neue Besucher/innen an. Das Freiwilligenprogramm nach benevol Standards stösst auf Resonanz. Allerdings ist eine Organisationsentwicklung notwendig und es gilt, eine gemeinsame Vision und gemeinsame Ziele zu erarbeiten. Dabei geht es auch um Synergien und um Ressource, denn das Museum verfügt derzeit über total 60 Stellenprozent. Nachholbedarf besteht beim Erhalt, der kulturhistorischen Erschliessung sowie der Zugänglichkeit und Nutzbarkeit der Sammlungen.

    Was gefällt Ihnen am besten an Ihrem neuen Reich?
    Die Begegnungen mit den Besucher/innen, der Museumspalazzo, der Gestaltungsfreiraum und die Vielfalt der Sammlungen begeistern mich – in dieser Reihenfolge.

    Wo oder wie ist der frische Wind schon spür- und sichtbar?
    Sicherlich im Jahresprogramm, das es in dieser Form bis anhin nicht gab. Hierzu erhalte ich auch die meisten, sehr positiven Rückmeldungen aus der Bevölkerung. Die Nachfrage von Seiten Kindergärten und Schulen ist gestiegen. Der Eingangsbereich und das Treppenhaus wurden – archäologisch gesprochen – von Ablagerungsschichten befreit, so dass die Architektur wieder zur Geltung kommt. Die strategischen Ziele 2023 bis 2026 und Massnahmen ab 2023 liegen vor und wurden von der Museumskommission gutgeheissen.

    (Bild: Jugendkulturlokal Oxil und Museum Zofingen, Mike Enichtmayer) Museum als Rap-Bühne: Das Treppenhaus wird für Veranstaltungen genutzt.

    Welche Bedeutung hat das Museum Zofingen als ältestes Museum im Kanton für den Aargau?
    Das Museum Zofingen ist ein Kulturgut von nationaler Bedeutung und im Inventar der Kantonalen Denkmalpflege Aargau. Das denkmalgeschützte Bauwerk ist das erste Museum im Kanton Aargau, welches in einem Neubau erstellt wurde und heute noch seinem ursprünglichen Zweck dient. Bei seiner Eröffnung 1901 war es das dritte Aargauer Museum, nach dem kantonalen Antiquarium und dem Gewerbemuseum Aarau, die beide so nicht mehr existieren. Für eine Kleinstadt wie Zofingen war dies um 1900 ein aussergewöhnliches und ambitioniertes Vorhaben, ein eigenes Museum für die Bevölkerung zu bauen. Das Museum Zofingen ist aber nicht nur architektonisch ein wichtiges Zeitdokument, sondern auch die Ausstellungsgeschichte der letzten 120 Jahr lässt sich hier exemplarisch nachverfolgen: Von den Schausälen mit Pult- und Aufsatzvitrinen von 1901, über die Tier-Dioramen der 1940er Jahre, die Leuchtmineralienausstellung der 1960er Jahre bis zum Ringiermuseum der 1980er Jahre und bis heute.

    Sie haben für 2023 ein abwechslungsreiches Jahresprogramm zusammengestellt. Was sind die Höhenpunkte?
    Jedes Angebot hat das Potential zu einem Höhepunkt zu werden. Das ist eine Frage der Perspektive und zum Beispiel für eine Besucherin, einen Museumsfreiwilligen oder eine Kooperationspartnerin in ihrer Wahrnehmung ganz unterschiedlich. Es ging mir darum, mit dem Jahresprogramm eine Angebotspalette zu bieten, eine Art «Buffet», auf dem für alle etwas dabei ist. Das Museum soll dadurch zum Erfahrungs- und Erlebnisraum für Familien, Gruppen, Kinder, Jugendliche/junge Erwachsene, Kitas, Schulen und die breite Bevölkerung werden.
    Seit 2023 geht das Museum im Rahmen von gemeinsamen Angeboten oder als Gastgeber/in Kooperationen ein. Es geht dabei weniger darum, neue Formate zu initiieren, sondern darum, gemeinsam Experimente zu wagen. Ein Beispiel dazu war der barrierefreie Oxil-Gastabend im Museum am 12. März 2023. Das Jugendkulturlokal Oxil und das Museum Zofingen organisierten erstmals zusammen einen Anlass, bei dem das Museum zur Bühne für die lokale Rap-Formation «Eskry & Friends» und anschliessend zur Disco wurde. Schwerhörige und Gehörlose erlebten das Konzert über eine Bassbox und ausgedruckte Texte. Über 100 Menschen aller Kulturen und Generationen besuchten den Anlass.
    Für mich persönlich war der «Overlap» des Oxil-Abends mit dem Familien Nachmittag ein Highlight. Zum einen fand der Konzertaufbau statt, zum anderen wurden Sammlungsobjekte gesucht und in Bezug zueinander gebracht. Das Museum war an diesem Tag mit rund 200 Gästen spürbar belebt.

    Grossen Wert legen Sie auch auf sogenannte Familienprogramme. Was muss man sich darunter vorstellen?
    Einmal pro Monat am Sonntagnachmittag findet im Museum Zofingen ein Erkundungsspiel in allen Sammlungen statt. Rätsel zu den Themen Natur und Geschichte führen Gross und Klein durch das ganze Haus. Spielerisch werden Dinge in Zusammenhang gebracht und gemeinsam Wissen dazu gesammelt. Am Vermittlungstisch können Antworten zeichnerisch umgesetzt werden. Wer Lust hat, kreiert selbst ein Rätsel für den nächsten Familien Nachmittag. Das Angebot richtet sich an Kinder ab 4 Jahren mit ihren Begleitpersonen. Es geht um Mehrperspektivität und darum, sich gemeinsam mit Ausstellungsobjekten zu beschäftigen, sich auszutauschen, die Objekte zu befragen, zu hinterfragen und neu zu verknüpfen.

    (Bild: Museum Zofingen, Roger Wehrli) Die Druckerwerkstatt: Die stillstehenden grossen Druckmaschinen des Ringiermuseums sollen wieder zum Laufen gebracht werden.

    Ebenso gibt es neu Palazzo-Führungen. Was erwartet die Teilnehmer?
    Zofingen besitzt mit dem Museumsgebäude ein architektonisches Bijou. In der einstündigen Führung tauchen die Teilnehmer/innen in die Zeit um 1900 ein, als die Museumsbauten noch rar waren. Fragen wie «Wie kam Zofingen zu einem Museums- und Bibliotheksgebäude im Florentiner Palast-Stil?», «Welche italienischen Palazzi sehen dem Zofinger Bau ähnlich?», «Was sind Dekorationen in Sgraffito-Technik?» oder «Wer hat das Museum gebaut und wieso?» werden beantwortet. Wer sich für Architekturgeschichte interessiert ist hier am richtigen Ort. Aber auch für alle Fans von historischen Gebäuden eignet sich die Führung, die im 2023 noch dreimal als öffentliche Führung buchbar ist.

    Sie suchen zudem Museumsfreiwillige?
    Ja, ich suche Museumsfreiwillige als kontaktfreudige Gastgeber/innen am Museumsempfang, als Helfer/innen bei Vermittlungsangeboten und als anpackende Allrounder/innen bei Veranstaltungen. Zusammen mit den Museumsfreiwilligen möchte ich zudem die Öffnungszeiten ausweiten und weitere Angebote anbieten. Wer spezielle Kenntnisse hat oder eine Idee, ist ebenso willkommen. Ich freue mich über eine unverbindliche Kontaktaufnahme. Das Freiwilligen-Programm wird nach benevol Standards aufgebaut. Dabei geht es um die kulturelle Teilhabe: Alle Menschen können am Museum Zofingen teilhaben, mitwirken und mitgestalten.

    Welche Pläne und Projekte haben Sie noch in der Schublade?
    Eine Druckwerkstatt: Die stillstehenden grossen Druckmaschinen des Ringiermuseums – sozusagen ein Museum im Museum Zofingen – möchte ich wieder zum Laufen bringen. Ich wünsche mir eine funktionierende Druckwerkstatt mit alten Druckmaschinen, in der alles analog, als Handwerk, gestaltet, schriftgesetzt und gedruckt wird. Ein Angebot, das sich an die ganze Bevölkerung richten würde, vom Schulworkshop zur selbstgestalteten Hochzeitseinladung bis zum Druckerei-Club. Und es gibt noch viele weitere Ideen!

    Was schätzen Sie besonders an Zofingen und der Zusammenarbeit mit den Behörden?
    Die kurzen Wege in der Stadt und in der Stadtverwaltung sind ein grosser Vorteil. Die persönlichen Kontakte und die unkomplizierte Zusammenarbeit schätze ich sehr. Die Trägerschaft, sowohl die Ortsbürgergemeinde Zofingen als auch die Einwohnergemeinde Zofingen, will das Museum in die Zukunft führen.

    Interview: Corinne Remund


    ZUR PERSON

    Katharina Müller hat an den Universitäten Zürich, Berlin und Bern Prähistorische Archäologie, Geschichte des Mittelalters und Mittelalterarchäologie studiert. 2010 erlangte sie das Doktorat in Archäologischer Wissenschaft. Während zehn Jahren war sie im Museum für Urgeschichte(n) Zug tätig. Weitere Stationen in ihrem Lebenslauf umfassen das Amt für Denkmalpflege und Archäologie Zug, der Legionärspfad Vindonissa, das Schloss Lenzburg, das Bundesamt für Kultur, die Stiftung Vindonissa Park sowie die Abteilung Kultur des Kantons Aargau.
    Weitere Infos: www.museumzofingen.ch; Dr. phil. Katharina Müller, Tel. 062 751 67 63, E-Mail: katharina.mueller@zofingen.ch

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