Arbeit muss sich lohnen – Sozialhilfe darf keine Alternative sein


    Kolumne


    In unserer Sozialhilfe bestehen verheerende Fehlanreize. Es kann nicht sein, dass es sich mehr lohnen kann, vom Staat abhängig zu sein, als einer Arbeit nachzugehen. Es ist Zeit für eine Reform.

    (Bild: © Ehrbar Photography) Dr. Adrian Schoop ist Unternehmer und FDP-Grossrat.

    Die Ausgaben für den Sozialstaat in der Schweiz schiessen ungebremst in die Höhe. Der Bund wird im nächsten Jahr rund 29.2 Milliarden Franken für die soziale Wohlfahrt ausgeben – der mit Abstand grösste Ausgabenposten beim Bund. Hinzu fallen gewaltige Kosten für die soziale Wohlfahrt auf der Kantons- und Gemeindeebene an. Dabei ächzen insbesondere die Gemeinden unter den Sozialhilfekosten. So sind gemäss der «Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe» die Sozialhilfekosten in den letzten 16 Jahren um satte 36% angestiegen.

    70’000 Franken Sozialhilfe für vierköpfige Familie
    Dass trotz Arbeitskräftemangel die Sozialhilfekosten explodieren, lässt sich unter anderem durch Fehler in unserem System der Sozialhilfe erklären. So bestehen in gewissen Konstellationen Fehlanreize, welche den Bezug der Sozialhilfe attraktiver machen als das Nachgehen einer Arbeit. Am besten lässt sich dies anhand von zwei fiktiven Nachbarsfamilien darstellen. Die erste vierköpfige Familie ist von der Sozialhilfe abhängig und erhält neben einem Betrag für die Deckung des Grundbedarfs unzählige weitere Leistungen vergütet. So kommt die Gemeinde für die Wohnung, verschiedene Versicherungsleistungen, AHV-Beiträge, Zahnarztkosten und Krankenkassenprämien und weitere Leistungen auf, die vom Steuerzahler finanziert werden. Weiter profitieren insbesondere ausländische Sozialhilfebeziehende von Deutschkursen und sogenannten Beschäftigungs- oder Integrationsprogrammen. Rechnet man diese Beträge zusammen, so kommt die vierköpfige-Familie ohne weiteres auf Leistungen in der Höhe von über 70’000 Franken pro Jahr und das notabene steuerfrei.

    Lohnabstandsgebot schafft Anreize und Gerechtigkeit
    Die andere fiktive Nachbarsfamilie besteht aus einer Mutter mit drei Kindern. Die Mutter setzt ihre eigene Arbeitskraft ein und hält sich mit verschiedenen Jobs im Tieflohnbereich über Wasser. Diese Familie kommt nicht annährend auf das Einkommen, das die erwähnte sozialhilfebeziehende Familie erhält. Auf das sowieso schon tiefe Einkommen muss die alleinerziehende Mutter zudem noch Steuern bezahlen und finanziert damit gar noch die Sozialhilfe der Nachbarsfamilie mit. Bei dieser schreienden Ungerechtigkeit ist es also kein Wunder, wenn sich die alleinerziehende Mutter fragt, ob sich das Arbeiten überhaupt noch lohnt.

    Es kann nicht sein, dass es Fälle gibt, in denen Personen im Tieflohnsegment alles geben, um über die Runden zu kommen, während andere Personen trotz fehlendem Arbeitswillen ein höheres Einkommen aus der Sozialhilfe beziehen können. Dieser Systemfehler muss im Keim erstickt werden. In einem im Grossen Rat mit Erfolg überwiesenen Postulat fordere ich deshalb, dass die Sozialhilfe nicht höher – sondern tiefer – ausfallen muss als das Einkommen aus den tieferen Lohnklassen. Dieser Abstand zwischen der Sozialhilfe und dem Einkommen aus einer Erwerbstätigkeit wird auch als Lohnabstandsgebot bezeichnet. Das Lohnabstandsgebot schafft nicht nur Anreize, um einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, sondern fördert auch die Glaubwürdigkeit unseres Sozialhilfesystems. Wie sollte beispielsweise die alleinerziehende Mutter noch hinter dem Sozialstaat stehen können, wenn die Nachbarsfamilie ohne Erwerbstätigkeit mehr Einkommen generiert als sie selbst, die jeden Tag für ihr Einkommen hart arbeiten muss?

    Es ist also an der Zeit, die offensichtlichen Fehlanreize in der Sozialhilfe endlich zu benennen und zu beseitigen. Das Lohnabstandsgebot, das sicherstellt, dass Sozialhilfeleistungen nicht höher sind als Einkommen in den unteren Lohnklassen, ist der Schlüssel zur Lösung. Es schafft nicht nur die dringend benötigten Anreize zur Erwerbstätigkeit, sondern steigert auch das Vertrauen in unser Sozialhilfesystem. Denn wenn der Unterschied zwischen der Sozialhilfe und dem Arbeitseinkommen zu gross ist, verlieren die Menschen den Glauben an die Gerechtigkeit in der Sozialhilfe. Damit ist niemandem geholfen.

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